Kanada 2019  No more Scotia

Ich hätte es ja eigentlich ahnen sollen. Kanada wollte mich nicht haben. Nachdem bereits zwei gebuchte Flüge wieder gestrichen worden waren, sollte es nun endlich mit Air Canada von Hamburg über München und Toronto nach Halifax auf Nova Scotia gehen. Bis nach München ging auch alles ganz problemlos, aber dann war erstmal Schluß. Es gab angeblich Probleme wegen der Einreiseerlaubnis, weil in der Genehmigung die um zwei Ziffern längere maschinenlesbare Reisepaßnummer angegeben war. Ob das tatsächlich zu Problemen an der kanadischen Grenze geführt hätte, weiss ich nicht. Jedenfalls sollte ich die Genehmigung noch einmal neu beantragen, was in den 30 Minuten, die mir zum Umsteigen geblieben waren, nich möglich war. Die neue Genehmigung kam zwar 5 Minuten vor dem Take off, aber das Gate war schon geschlossen und so blieb ich erstmal zurück. Alle Versuche, den verpassten Flug nun umzubuchen, scheiterten an der Inkompetenz und Willenlosigkeit aller beteiligten. Lufthansa verwies auf Air Canada, Air Canada auf das Reisebüro, dies auf TUI als Veranstalter und TUI wieder auf Air Canada. Ein Wahnwitz… Als ich den Urlaub bereits abgeschrieben hatte und bei Lufthansa einen exorbitant teuren Rückflug nach Hamburg buchen wollte, stieß ich am Lufthansa Ticketschalter auf den ersten und einzigen kompetenten und entscheidungsbefugten Mitarbeiter auf dieser Welt. Dieser buchte mich einfach auf einen Lufthansaflug über Montreal nach Halifax. Und das in der 1. klasse. Dass ich dann in Montreal fast den Anschluß nach Halifax verpasst habe, lag abermals an den unwilligen und inkompetenten Mitarbeitern von Air Canada, die unfähig waren, einfach die Bordkarte auszudrucken und auch dort wieder ihre eigenen Zuständigkeiten nicht kannten. Schliesslich erreichte ich um 1 Uhr nachts mein Hotel in Halifax.

Halifax

Die Zitadelle ist eine der größten Sehenswürdigkeiten von Halifax. Und viel mehr gibt es auch nicht zu sehen. Ein paar schöne Restaurants an der Waterfront, wo es sich ganz gut bummeln lässt. Wenn mal wieder ein Kreuzfahrtschiff seine 6000 Passagiere über der Stadt auskippt, dann wird es allerdings eng. Wirklich schöne Shoppingmalls sind in der Stadt auch nicht zu finden. Da bin ich von den USA etwas Anderes gewohnt.

Den besten Blick auf die Skyline, wenn man das überhaupt so nennen kann, hat man von Dartmouth aus. Ein Restaurant der netteren Sorte hier ist das Wooden Monkey.

Rechts: Damit kommt man auch nicht schneller voran.

Die Lighthouse Route

Jetzt zähle mal einer die Touristenbusse. Dass das kleine Fischerdorf Peggy’s Cove den bekanntesten Leuchtturm Nova Scotias besitzt, habe ich ja gewusst. Aber auf so einen Trubel war ich nicht vorbereitet. Selbst wenn man den Leuchtturm mal ohne Touristen ablichten konnte: Die akkordeon spielende und grauenvoll singende Großmutter, die sich vor dem Turm platziert hatte, bekam man irgendwie immer mit aufs Bild.  Dass man sich auch ganz allein einen Leuchtturm ansehen kann, beweisen die beiden Exemplare in Port Medway und Liverpool. Später gab es dann noch viel mehr Leuchttürme zu bewundern.

Durch schöne Kleinstädte kommt man auf der Lighthouseroute ebenfalls. Chester und Lunenburg gehören auf jeden Fall dazu und ein Spaziergang hier lohnt sich bestimmt.

Der Hurricane Dorian

Im B & B „Art of Germany“ Musste ich dann den Hurricane 24 Stunden lang ohne Strom und Wasser aussitzen. Wie das aussah, sieht man in dem kleinen Video…

Ja, ich hatte von ihm gehört, Dorian, dem stärksten Hurricane aller Zeiten, der die Bahamas verwüstet hatte. Dass er aber hier auf Nova Scotia immer noch als Hurricane der Kategorie 1 einschlägt, damit hätte ich nie gerechnet. Nun aber war er im Anmarsch. Also Benzin, Bargeld, Batterien, Wasser und Kekse besorgen und zur nächsten Unterkunft fahren. Kaum zu glauben, wie schön und friedlich es nur wenige Stunden vor dem Hurricane noch im Kejimkujik-Nationalpark war. In Caledonia wurde das Wetter gegen Abend dann schlechter. Im zweitschlechtesten Restaurant der Welt, dem Hollow Log Cafe, gab es die letzte warme Mahlzeit. Truthahn erstickt in einer stinkenden grauen Sosse. So lieben es die Kanadier…

Und wieder kaum zu glauben: Am nächsten Tag strahlt wieder die Sonne. Die Fahrt zur nächsten Unterkunft in Annapolis Royal ist eher als abenteuerlich zu bezeichnen. Wie man schön sieht, sind die Stromleitungen durch die umgestürzten Bäume zerstört worden. Der Strom war daher immer noch ausgefallen, was auch noch die kommenden zwei Tage so bleiben sollte. Das bedeutete: Lange schlangen vor den Tankstellen, Keine Kreditkartenzahlung und nach Einbruch der Dunkelheit nur noch der Schein der Taschenlampe.

Auch in Annapolis hatte der Hurricane starke Verwüstungen hinterlassen. Gut, wenn man einen Stomgenerator besitzt, wie Die German Bakery oder das schlechteste Restaurant der Welt, Charlie’s Place. 

Hier gab es das Essen freilich nur gegen Cash. Bei Charlie würde ich allerdings nicht mal mehr essen gehen, wenn es das letzte Restaurant auf der Welt wäre…

Rechts: Gott sei Dank. Dem 65er Mustang ist nichts passiert.

Auch das historische Queen Anne B & B verfügte über einen Stromgenerator. Und fliessendes warmes Wasser. Daher gab es hier nach zwei Tagen mal wieder eine Dusche. Da die Vorräte an Treibstoff für den Generator allerdings langsam zur Neige gingen, gab es nach Einbruch der Dunkelheit auch kein Licht und das abgespeckte Frühstück beschränkte sich auf Kaffee, Saft, Obstsalat und das leckerste selbstgebackene Blaubeehörnchen, dass ich je gegessen habe. Leider konnte ich das Zimmer nicht mehr bezahlen, da das Bargeld inzwischen ausgegeben war und die Bankautomaten tot waren. Der betrag wurde einfach später von meinem Kreditkartenkonto abgebucht. Danke dafür.

Strom hin oder her, bei Davis gibt es so oder so kein Benzin mehr. Vorbei an Leuchttürmen und umgestürzten Bäumen geht es in Richtung Prince Edward Island. Auf dem Weg gab es wieder Tankstellen mit Kreditkartenzahlung, Geldautomaten, die auch wieder Geld ausspuckten und Restaurants mit richtiger Stromversorgung. In manchen Gegenden war der Strom allerdings eine Ganze Woche lang ausgefallen und es gab teilweise kein Internet oder Telefonempfang.


Unten: Nur Matsch: in der Bay of Fundy gibt es mit 16 Metern den höchsten Tidenhub der Welt.

Prince Edward Island

Die grösste Attraktion von PEI ist Anne of Green Gables. Dieses Kinderbuch, von dem Astrid Lindgren sicherlich beeinflusst wurde, als sie Pippi Langstrumpf geschrieben hat, wird in diesem kleinen Museum zum Leben erweckt. Angeblich haben sogar eine Million Japaner dieses Buch gelesen. Ich hatte allerdings bis dahin noch nie davon gehört.

PEI lebt aber eher vom Fischfang, als vom Hype um Anne. Daher sieht man überall Zeichen des Hummer- und Krabbenfangs. Ich esse zwar sehr gerne Fisch, aber an diese Riesenkakerlaken traue ich mich nicht heran. 


Links: An meiner Unterkunft lebte ein Weisskopfseeadler, der auch ein paar mal direkt an meiner Nase vorbei geflogen ist. Mit einem 35 mm Objektiv kann man sich Tierfotografie allerdings auch sparen.

Leuchttürme gibt es auf so einer Insel natürlich auch zu genüge. Der Leuchtturm im PEI Nationalpark erinnerte mich ein wenig an Sylt. Die Strasse nach Robinson Island war wegen der Schäden durch den Hurricane gesperrt und nur zu Fuss zu bewältigen. Auf Robinson Island war dann Schluss mit Wandern. Alle Wanderwege geschlossen. Am East Point Lighthouse schüttete es wie aus Eimern. North Rustico Harbour ist ein eher verkommenes Fischernest.

Ganz nett hingegen ist es in Summerside, neben Charlottetown einem der wenigen Orte, wo man mal etwas bummeln gehen kann. Der Leuchtturm steht direkt am Yachthafen, der auch mal etwas frische Farbe gebrauchen könnte. Unten: Wandmalerei in der Water Street.

Hier gibt es auch leckeren „Organic“ Kaffee und leckeren Kuchen in Samuel’s Coffee House.

Die Water Street machte ihrem Namen alle Ehre. Vom Hurricane konnten diese Fluten allerdings nicht mehr stammen.

Cape Breton Island

Nach kleinen Abstechern nach Pictou, zum Cape George Point Lighthouse und dem weissen aber naturbelassenen Strand von Merigomish, erreicht man einen weiteren Höhepunkt im Osten Kanadas: Cape Breton Island. Der kleine Touristenort Cheticamp liegt direkt am Eingang zum Cape Breton Nationalpark mit seinen ausgezeichneten Wandermöglichkeiten. Das Auberge Doucet Inn ist ein gemütliches B & B mit herrlichem Blick über den Ort. Das Frühstück wird frisch zubereitet.

Der populärste Wanderweg ist mit Abstand der Sunrise Trail. Behindertengerecht und total überlaufen. Ein Naturerlebnis sieht anders aus. Auf dem Acadian Trail hingegen ist man allein unterwegs.

Durch den Park führt eine Panoramastrasse, die tolle Ausblicke auf die dramatische Küste bieten soll. Das kann ich leider nicht beurteilen, denn die Sichtweite bei meiner Fahrt auf der Panoramastrasse betrug ca. 50 Meter. Dafür kann man sich in dramatische Wolken gehüllte kleine Fischerdörfer ansehen. Am Ende der Route hat man die Möglichkeit, eine Nacht im kuscheligen English Garden B & B zu verbringen. Auch hier bereitet der Chef das Frühstück frisch zu.

Und wer sich einmal die Panoramastrasse des Cape Breton Nationalparks im Regen ansehen möchte, der schaut sich das Video an.

Von Cape Breton hat man die Wahl, entweder über die Autobahn zurück nach Halifax zu fahren, oder den Marine Drive zu nehmen, der sich landschaftlich sehr schön an der Küste entlang schlängelt. Dabei hat man dann die Möglichkeit, sich Sherbrooke Village anzusehen. Eine Ansammlung historischer Gebäude, die das Leben hier im 18. Jahrhundert widerspiegeln soll. Ausserdem gibt es in dieser Region viele Wanderwege. Diese waren allerdings wegen der Zerstörungen durch den Hurricane Dorian geschlossen.

Abwrackprämie der anderen Art.

Kein Durchkommen: Wanderweg im Taylors Head State Park.

Irgendwie passieren ja immer irgendwelche Katastrophen, wenn ich auf Reisen gehe. Aber dieser Urlaub hat alles in den Schatten gestellt. Da ist es lächerlich zu erwähnen, dass ich auch noch fast den Anschlussflug von Frankfurt nach Hamburg verpasst hätte, weil ich zum Zeitpunkt des Boardings immer noch in der Schlange vor dem Sicherheitscheck gesteckt habe. Trotzdem habe ich den Flieger in letzter Sekunde noch erreicht, nur um gleich wieder auszusteigen, weil auf zwei Reifen des Fahrwerks ein Druckverlust festgestellt wurde. O.K., Lufthansa hat in Frankfurt glücklicherweise so viele Maschinen rumstehen, dass nach nur einer Stunde ein Ersatz bereit gestellt war. 


Und sonst? Man lernt ja auch immer aus schwierigen Situationen. Air Canada werde ich wegen der unfähigen Mitarbeiter sicherlich nie wieder buchen. Lufthansa hingegen, die ich wegen der hohen Preise in letzter Zeit immer gemieden haben, stehen bei mir wieder ganz oben.


Kanadas Osten war nicht so reizvoll, wie ich es mir vorgestellt hatte. Das lag vielleicht auch daran, dass dieser als Entspannungsurlaub geplanter Trip durch den Hurricane und die damit verbundenen Einschränkungen, sowie den Problemen bei den Flügen, eher hektisch geworden ist.

Und der Hurricane selbst, übrigens nach Hurricane Gordon in Alabama der zweite innerhalb eines Jahres? Digitalisierung? Ich lach mich tot. Ohne Strom kann man sich die Vorzüge der Digitalisierung vors Knie nageln. Kein Internet und keine bargeldlose Zahlung mehr? Und da wollen manche Länder tatsächlich das Bargeld abschaffen. Elektroautos? Das hätte ich sehen wollen, wie viele von den Dingern nach kürzester Zeit die Strassenränder geziert hätten. Dann lieber in die lange Schlange vor den Zapfsäulen der Tankstellen einreihen. Mal abgesehen davon, dass ich ernsthaft überlege mir einen kleinen Stromgenerator anzuschaffen, sollte man sich nicht auf die modernen Errungenschaften verlassen. Fernsehen, Radio und Telefonie nur noch über das Internet oder Handy? Na da wird es still im Haus bei Stromausfall.

Ich habe gelernt. Ihr auch?